Verfasst von: Caminopilger | 1. Juni 2016

Glück in Ancy Tag 5 01.06.2016 Metz – Ancy sur Moselle 18 km (Kurz-Camino von Trier nach Nancy)


Der Pilger in mir lernt nie aus! Die Portion Leichtigkeit in Punkto Quartiersuche, die mir in Spanien oder auch Portugal sehr zusagt,  kann man sich hier im Nord-Osten-Frankreichs nicht erlauben. Die Unterkünfte sind hier überaus rar gesät!  Der Camino von Perl nach Vezelay hat rund um Metz und Nancy offensichtlich noch nicht das Bedürfnis für Pilgerübernachtungen erkannt. 

Den frühen Morgen verbrachte ich schlendernd mit einer Sightseeing-Tour durch Metz. Bei ausgesprochen angenehmer Witterung  und Sonnenschein merkte ich bald, dass dieser Tag nicht dazu angetan war sportive Pilgerhelden zu zeugen. Von den Belastungen der beiden Vortage war mein alternder Körper gezeichnet  und signalisierte mir,  heute eine besonders kurze Etappe aufs Parkett zu legen. Einmal aus der Stadt heraus kommend, war wieder einmal die geliebte Moselle meine Begleiterin. Irgendwann ging es dann von der Mosel weg in die Weinberge,  auf einen Weinpfad und anschließend auch wieder in ein aufgeweichtes Waldgelände. Weinberge scheinen in diesem Jahr irgendwie  nicht meine Stärke zu sein. Vielleicht lags ja auch an den Chemikalien die Herr Winzer massenweise auf die Rebstöcke pustete. Ich wurde trotz der geringen Laufstrecke müde und beschloss im „größten“ Ort auf der heutigen Etappe zu nächtigen. Im Gegensatz zu den ersten 4 Übernachtungen hatte ich für heute ja noch kein Bett vorab gebucht und war mithin in meiner Entscheidungsfindung völlig vogelfrei. Ancy sur Moselle hieß das Dorf meiner Wahl, zunächst leider aber ohne Übernachtungsmöglichkeit. Gleichwohl dieser Ort auf dem aktuellen Wegeplan seine Camino-Zugehörigkeit verloren hat, fand ich Gefallen an ihm und wollte ein Weiterlaufen unbedingt umgehen. Zum Glück fiel ich Jean-Luc in die Hände, der mich aufs „Mairie“ schleppte.

Dort versuchten im Rathaus der Gemeinde Ancy sur Moselle alle anwesenden Verwaltungskräfte (6 an der Zahl)  mir ne bezahlbare Unterkunft zu besorgen. Die Damen telefonierten und es sah fast danach aus, dass der Krisenstab förmlich auf mich gewartet hatte, um dieses akute Problem aus der Welt zu schaffen. 

Als nach 20 Minuten auf dem Amt immer noch keine Lösung in Sicht war, platzte Jean-Luc der Kragen. Er verließ das Amt und begab sich mit mir schnurrstracks zu seinem Anwesen. Seiner Frau Beatrice erklärte er die Sachlage und keine 5 Minuten später hatte ich meine Lowa-Stiefel ausgezogen. Beatrice nahm die Situation mit Humor und Charme an und zeigte mir die Räumlichkeiten. Wieder ein überaus glückliches Erlebnis auf meinem 2016er Camino. Nachdem ich geduscht hatte, bemerkte ich, dass ich allein im eleganten Wohnhaus war. Wow! Solch ein Vertrauen in einen wildfremden Menschen zu setzen ist wirklich bemerkenswert. Stunden später waren die beiden dann wieder zurückgekehrt und hatten ein befreundetes Paar mitgebracht. Wie sich bald herausstellte waren die Freunde ebenfalls erfahrene Pilger und so verbrachten wir gemeinsamen einen kurzweiligen lustigen Abend und wurden von der Hausherrin Beatrice kulinarisch nach Strich und Faden  verwöhnt und Jean-Luq köpfte nebenher so manche Flasche Wein … .

Unter dem Strich war dieses Pilgererlebnis für mich eine der schönsten Geschichten, die der Camino de Santiago mir in den letzten 8 Jahren geschenkt hat. 

Danke Jean-Luc, danke Beatrice für alles was ihr für mich getan habt.

Die Bilder des Tages aus Ancy sur Moselle:


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