
Dienstag, 12. Juli 2022, 12:45 Uhr Ostvogesische Pampa auf Höhe von Marey: Nach über 125 gelaufenen Kilometern auf dem Weg sehe ich beim turnusmäßigen Umschauen endlich den ersten Mitpilger in meinem Rücken. In freudiger Erwartung diesen Menschen kennenlernen zu dürfen bin ich fast schon euphorisiert. Was die Einsamkeit auf so vielen Kilometern doch für Dinge mit mir veranstaltet! Naja, der noch unbekannte Pilger sollte mich schon bald eingeholt haben, schließlich sitzt er auf nem Fahrrad. Fast schon bizarr diese Freude über einen Fahrradfahrer! Haben wir Fußpilger auf früheren Wegen die Biker nicht vielmehr gemieden wie die Pest, da sie uns zu oft im lockeren Vorbeifahren das letzte Bett in der Herberge wegschnappten? Die diesbezüglichen Wunden der Pilger-Vergangenheit sind heute vergessen. Schließlich will ich endlich meiner Erzähllust frönen, meine Pilgererlebnisse teilen, oder auch dem Fahrradpilger meinen „Alter Ego“ Herrn Innenmeniskus vorstellen. Endlich hat der Unbekannte mich eingeholt, hält sein Fahrrad samt Anhänger an und fängt das Gespräch mit mir an. „Hi I am Eugenio from Mexico-City.“ Hammer, so ein super sympathischer junger Pilger aus Mexico! Was soll ich ihm zuerst erzählen? Etwas über die lang zurückliegende Reise meiner geliebten Ehefrau in sein Heimatland, mexikanische Fußballspieler in der Fußball-Bundesliga oder doch eher das Pilgern als Thema sofort in den Vordergrund stellen. Ich möchte den chillig daherkommenden jungen Kerl nicht all zu sehr mit meinem Caminopilger-Geschwafel überfrachten und frage ihn ganz einfach, bis wohin er denn fahren möchte. Wie aus der Pistole geschossen kommt von ihm als Antwort: „Barcelona“! Ich versuche mir in Sekunden vorzustellen, welche Jakobswege denn da auf dem Weg nach Katalonien befahren werden müssen. Naiv schlage ich ihm vor, doch eher die Jakobswege zum Camino Norte (de la Costa) und Santiago de Compostela als „Fernziel“ in seine Überlegungen mit einzubeziehen.

Sein Stirnrunzeln ließ „Schlimmes“ vermuten. Er entgegnete mir, dass er davon noch nie gehört habe. „Wer oder was ist ein Jakobsweg? In diesem Moment starb die Illusion und es war glasklar, dass ich auf meinen ersten Mitpilger auf dem diesjährigen Jakobsweg noch länger warten muss. Eugenio war es leider nicht! Er erzählte mir, dass er als Autauschstudent in Den Bosch/ Niederlande studiert und nun mexikanische Freunde in Barcelona besuchen wolle. Wir wünschten uns gegenseitig alles Gute für unsere unterschiedlichen Wege, machten ein gemeinsanes Foto und dann war Eugenio auch schon bald am Horizont verschwunden.

Ich war wieder allein in meiner staubigen Pilgerwüste, freute mich aber dennoch Eugenio aus Mexico-City für Minuten als Pseudo-Mitpilger bei mir gehabt zu haben. Que tengas una vida feliz Eugenio!

Okay, ich wollte es heute ja eigentlich etwas kürzer als sonst machen, schließlich steht morgen ein 29 km Ritt auf meinem ganz persönlichen Pilgermarschplan, aber ein Thema muss ich noch dringend ansprechen dürfen… .
Das Übernachten in den Hotels bekommt dem Caminopilger nicht.
Wie an anderer Stelle schon angedeutet, bin ich in hier im „Grand Est“ Frankreichs ja leider häufig auf eine Hotelbuchung angewiesen, da es keine Herbergen gibt. Übernachtungen im „Hape Kerkeling Style“ führen zu einer gewissen Disziplinlosigkeit und erheblichen zeitlichen Verzögerung im Hinblick auf die Wiederaufnahme der täglichen Pilgeraktivität. In den staatlichen Herbergen Spaniens und Frankreichs geht das Licht im Regelfall um 22:00 Uhr aus, man schläft mehr oder weniger 😉 und morgens fängt das hektische Zusammenpacken ab spätestens 06:00 Uhr an. Im Hotel bleibt das Licht abends länger an und morgens genehmigt man sich gerne noch die zweite Tasse „cafe au lait“ im Bistro, lässt sich neben dem Baguette auch ganz gerne das süße Croissant vom Buffet schmecken. Ganz „verwundert“ bin ich dann immer über den Umstand, es wieder nicht vor 09:00 Uhr auf den Weg geschafft zu haben. Hier muss sich etwas Grundlegendes ändern und ich verordne mir hiermit ein Stück Pilgerdisziplin. Basta, ich habe gesprochen! Wie bitteschön anders soll ich denn sonst die nächsten Tage im französischen Glutofen überstehen? Die nachmittäglichen Stunden auf dem Chemin sind temperaturbedingt einfach so sehr anstrengend.
Merke: Der frühe Vogel fängt den Wurm!
Bon nuit aus Lamarche.
Die Bilder des Tages:










Schatz ..es gab mal eine Türmatte mit einem anderen Spruch: der frühe Vogel kann mich mal…😉bissou L
By: Jade on 13. Juli 2022
at 08:05
Jadeschatz … und morgen ist solch ein Tag, an dem ich den frühen Vogel sein Werk verrichten lasse und gemütlich 13 km nach Langres schlendern werde. Eine Kurzetappe ist mithin angesagt und das ist gut so!😘
By: caminopilger on 14. Juli 2022
at 22:18
Sehr coole Geschichte und sehr vertraut. Auch wir haben in Frankreich nur selten weitere Pilger getroffen. Die Verlockung des zweiten Cafe au laits und des süßen Croissants jedoch häufiger. 😄😄
By: pelerinsdusoleil on 29. August 2022
at 09:18