
Ich muss zu Beginn meiner Ausführungen etwas zum gestrigen Aufenthalt nachreichen. Völlig unverhofft bin ich erneut in einer Herberge gelandet. Namentlich die Unterkunft des Pfarrzentrums „Centre Paroissial Nazareth“ in Grancey-le-Château. Die voll ausgestattete Herberge hat Platz für 8 Pilger. Wie sehr überraschend, dass sie für mich gestern wieder zur Einzelbelegung bestimmt war. Die auf dem Zettel von Madame Vollmer angegebene Familie Naudet, die ihr Haus nur einen Steinwurf entfernt von der Herberge bewohnt, hat mich dann kulinarisch mit vier herumtollenden Enkelkindern hervorragend am Abend verwöhnt und am heutigen Morgen mit einem leckeren Frühstück versorgt. Ein bunter Sprachmix aus Französisch, Englisch und Deutsch sorgte für eine sehr kurzweilige Zeit, in der viel gelacht wurde. Madame Naudets Rhabarbermarmelade und der Käse aus der Käserei des Schwiegersohns sind einfach unschlagbar gut. Als Pilgermedizin wird auch im Hause Naudet unmittelbar nach dem Eintreffen belgisches Abteibier gereicht!


Am heutigen Morgen bemerkte ich schon bald beim Blick auf eine Straßenmarkierung kurz nach dem Verlassen von Grancey-le-Château, dass ich wohl schon gestern erneut das Département gewechselt hatte. Nun pilgere ich durch das sonnenüberverwöhnte Departement Côte D‘or. Warum nur bekam ich bei diesem klangvollen Namen Heißhunger auf Schokolade?

Hauptstadt der Gebietskörperschaft Côte D‘or ist Dijon. Damit ist klar, dass ich schon bald mein diesjähriges Pilgerziel erreichen sollte.
Aus der Heimat erreichte mich am heutigen Nachmittag übrigens ein fürsorglicher und flehender Anruf. „Ich sollte doch bitte meine Wanderung wegen der verheerenden Temperaturen vorzeitig abbrechen.“ Für den heutigen Tag darf ich Entwarnung geben. Traumhaft schattige Pfade und sonnenüberflutete Wege hielten sich in etwa die Waage. Den Streckenplanern in Côte D’or darf man an dieser Stelle einmal ein Kompliment machen. Ich hatte meine Gedankengänge bei der Tagesetappe noch beisammen und torkelte auch nicht herum. Übermorgen sollen die Temperaturen, wie auch in Deutschland, schon wieder deutlich heruntergehen und das erleichtert die letzten Tage meiner Pilgerwanderung doch sehr. Die morgige Hitzeetappe ist von der Streckenlänge (ca. 22 km) entsprechend dem Wetterszenario angepasst.

Gestört hat mich heute vielmehr, dass ich kurz hinter Marey-sur-Tille ca. 300 Meter auf einer frisch geteerten Straße laufen musste. Mein Einwand, dass dieser Belag doch sicherlich nicht all zu gut für meine Schuhsohlen sein werde, ließen die Bauarbeiter nicht gelten und gaben auch mir das Fahnenzeichen zum Start. So wurde ich dann von oben und von unten gegrillt und wunderte mich nach dem Verlassen der Piste in Richtung Waldweg, dass ich eine klebrige schwarze Masse im rechten Schuh und an der Socke zu beklagen hatte. Es muss wohl an meinem Laufstil im Fohlengalopp gelegen haben, dass ich soviel schwarzes Zeug hochgewirbelt habe. Die örtliche Straßenmeisterei von Marey-sur-Tille hat sich auf jeden Fall bereit erklärt, die erforderlichen Instandsetzungskosten des der Schuhwerkes zu übernehmen. Die Sohlen meiner Lowa-Boots haben die Geschichte hingegen erstaunlicherweise schadlos überstanden.

Die abenteuerliche Geschichte meiner heutigen Bettstätte erzähle ich dann erst morgen, sonst komm ich ja gar nicht mehr zur dringend gebotenen Nachtruhe.
Bon nuit de Grancey-le-Château
Die Bilder des Tages:










Ein bisschen Heiss, aber sonst schönes Pilgerwetter. Du erlebst ja ein bisschen was. Da kannst Du Deinen Enkeln lange von erzählen.
Viel Freude weiterhin, lieber Heiner. Lass Dich nich unterkriegen. 👍😉
By: Bernd Wiedemann on 19. Juli 2022
at 08:10